Exklusiv. Maria Schells Tochter Marie Theres Kroetz Relin über den 5. Todestag ihrer Mutter, Depressionen und ihre neue Karriere als Dixieland-Jazz-Sängerin.
Ein Stich wie mit einer Messerklinge mitten ins Herz“, beschreibt Marie Theres Kroetz Relin (43) den Schmerz über den Tod ihrer Mutter, Maria Schell. Vor genau fünf Jahren sah die Autorin, Schauspielerin und Journalistin ihre „Mama“, wie sie heute noch liebevoll sagt, zum letzten Mal, bevor Maria Schells Herz am 26. April 2005 nach jahrelangen schweren Depressionen, zwei Schlaganfällen und einer Lungenentzündung aufhörte zu schlagen.
In einem berührenden Essay erzählt ihre Tochter, wie sie ihren Abschied, überschattet von einer medialen Hetzjagd, erlebte (siehe unten). Das Schreiben half Marie Theres Kroetz Relin schließlich auch dabei, ihre Trauer um die geliebte Mutter zu verarbeiten.
Dixiemania. Jetzt startet die dreifache Mutter (Josephine, 21, Magdalena, 18, und Ferdinand, 14) mit einem ungewöhnlichen Projekt, das sie in ihrer Wahlheimat Teneriffa realisiert, völlig neu durch. Mit „Dixiemania“ (www.dixiemania.com) lässt die Bestsellerautorin (u. a. „Wie Frauen ticken“) zusammen mit sieben spanischen Vollblutmusikern den Kult des Dixieland-Jazz wieder hochleben.
In MADONNA spricht die Neosängerin und Tänzerin erstmals über ihr neues Projekt, das sie vor allem als Hommage an ihre verstorbene Mutter, Maria Schell, sieht.
Warum haben Sie sich dazu entschieden, dieser Tage medial auf den fünften Todestag Ihrer Mutter aufmerksam zu machen. Haben Sie Angst, dass sie ein in Vergessenheit gerät?
Marie Theres Kroetz Relin: Nein, aber die Zeit ist furchtbar schnelllebig. Und auch wenn Sie noch immer sehr präsent ist – erst gestern lief ein Film im spanischen Fernsehen – möchte ich gewisse Informationen, Bilder und Erinnerungen an sie weitergeben. Deshalb habe ich meiner Mama im Rahmen meines neuen Projekts „Dixiemania“ eine Hommage auf unserer Website gewidmet.
Sie haben auch ein Buch über Ihre Mutter und Ihre Familie geschrieben, das jedoch noch nicht veröffentlicht wurde?
Kroetz Relin: Ja, und an diesem Buch hängt mein Herz. Weil ich mich erstmals mit dem Leben und dem Werk meiner Mutter, aber auch unserer gesamten Familiengeschichte auseinander gesetzt habe. Und: ich konnte mit dieser Arbeit viele Zerwürfnisse und Hindernisse, die es in so einer großen Familie eben gibt, aus dem Weg räumen. Schade, nur, dass sich kein Verlag findet, der das Buch so drucken möchte, wie ich es geschrieben habe.
Vor wenigen Tagen jährte sich der Tag, an dem Sie Ihre Mutter zum letzten Mal trafen, zum fünften Mal – wie haben Sie diesen Tag erlebt?
Kroetz Relin: Ich bin in der Früh aufgewacht und mir war überhaupt nicht bewusst, welcher Tag ist. Doch plötzlich fühlte ich einen Stich im Herzen, Tränen liefen mir runter und ich dachte an meine Mutter. Als ich dann meine Tagebücher nachlas, bin ich drauf gekommen, dass ich genau an diesem Tag vor fünf Jahren zum letzten Mal meine Mama lebend gesehen habe. Und ich ihr versprochen habe, dass wir uns bald wieder sehen. Ein Versprechen, das ich leider nicht halten konnte.
Man sagt Trauer hat fünf Phasen, die letzte ist „Akzeptanz“ – befinden Sie sich in dieser?
Kroetz Relin: Ich habe während des Schreibens meiner Familiengeschichte Rotz und Wasser geheult, weil ich da erst viele Verletzungen und Schicksale, die sich in der Familie wiederholten, kapiert habe. Da habe ich die größte Trauerarbeit geleistet. Ja, es kann sein, dass ich mich in der fünften Phase befinde. In der ich auch realisiere, wie wertvoll es ist, dass man sich zu Lebzeiten sagt, wie sehr man sich mag. Aber wenn die eigene Mutter stirbt, ist das wie ein Bumerang – das kommt immer wieder. Ich vermisse sie jeden Tag!
Was hätten Sie Ihrer Mutter noch gerne gesagt?
Kroetz Relin: Ach, ganz viel! Man hätte wohl so viele Probleme umgehen können. und vielleicht würde sie sogar noch leben. Aber diese teuflische Krankheit, die manischen Depressionen, haben meine Mutter nicht erkennen lassen, dass ich es gut mit ihr meinte. Da fallen natürlich viele grauenvolle Sätze, die sehr verletzen. Aber das Gute ist, dass wir uns im Frieden voneinander verabschieden konnten.
Haben Sie manchmal Angst, dass Sie diese Krankheit genetisch mitbekommen haben?
Kroetz Relin: Nein. Melancholisch ist jeder mal. Ich hatte auch einmal eine depressive Phase, aber die war hormonell durch eine Schilddrüsenüberfunktion bedingt und kam nie wieder. Es passiert leider schnell, dass einem die Familiengeschichte wie ein Stempel aufgedrückt wird.
Auf Ihrer Website schreiben Sie „2009 war nicht mein Jahr“, doch jetzt kommt Dixiemania...
Kroetz Relin: Ja, ich kam im letzten Jahr an den Punkt, an dem ich sagte: ich möchte nicht nur vor dem PC sitzen und schreiben, Ich will mit Menschen zusammenarbeiten. Und dann lernte ich diese tollen Dixieland Jazz-Jungs kennen, mit denen ich jetzt zunächst auf Teneriffa auftreten, aber auch auf Tournee gehen will. Ich liebe diese Musik, Charleston zu tanzen und zu singen.
Was sagen Ihre Kinder dazu?
Kroetz Relin: Die finden das ganz wunderbar. Ich gehe ja auch zum Salsaunterricht, den ich schon länger nehme, mit meinen Kindern. Mein Sohn ist so ein toller Tänzer!
Mit Ihrem Ex-Mann (Regisseur Franz Xaver Kroetz, Anm.) haben Sie guten Kontakt – ist ein Liebes-Comeback denkbar?
Kroetz Relin: Nein! Eine Frau, die geht, geht für immer. Ich halte es lange aus, aber irgendwann kommt der Punkt... Heute haben wir das, was wir vorher nie hatten: eine richtig tolle, innige Freundschaft.
Sind Sie jetzt, wo Ihre Kinder langsam flügge werden, nicht manchmal einsam?
Kroetz Relin: Nein, auch wenn Josephine ja inzwischen vor und hinter der Kamera sehr aktiv und erfolgreich ist und Magdalena in Deutschland studieren will, freue ich mich auf die Zeit mit meinem Sohn. Außerdem habe ich sehr viele Freunde hier – ich bin also sehr selten alleine. Aber, wenn, ist es auch mal ganz praktisch: vielleicht findet sich ja dann doch mal ein Mann zum Verlieben (lacht).
Meine Mama ist tot. Die Nachricht riss mich am 26. April aus meinem Alltag und versetzte mir einen Stich wie mit der Messerklinge ins Herz. Zehn Minuten zuvor war sie in ihrem Zuhause in Gitti´s Armen eingeschlafen. Ich hatte nicht damit gerechnet, nicht jetzt, wo es ihr die letzten Tage doch wieder besser ging. Meine Gefühle liefen Amok – ich war dankbar, dass sie so friedlich ihre „Zwischenwelt“ verlassen konnte, hatte aber Angst vor der „Treibjagd“, die nun unweigerlich folgen würde. Ich kroch zu meinem Mann ins Bett und weinte. Es waren die einzigen Minuten, in denen ich meine Trauer leben konnte. Es handelte sich nur noch um Stunden, bis die Fanfaren der „Jäger“ ertönten und uns als Freiwild zum Abschuss freigegeben würden.
Die Jagd begann. Sämtliche Boulevardblätter kotzen ein gieriges „Herzliches Beileid“ ins Telefon, das gab Ihnen die Berechtigung, mich anschließend mit Fragen zulöchern. „Wie ist denn nun ihre Mutter gestorben? Wann? Wo? Und das Erbe?“
Die Beerdigung. Als der Sarg in die Erde gelassen werden sollte, ging ein Blitzlichtgewitter los, meine Nerven waren am Ende und ich bat flehentlich darum, wenigstens für wenige Minuten mit dem Knipsen aufzuhören. (...) Die Treibjagd ist beendet, ich verschnaufe und versuche schamvoll meine nackte Seele zu bekleiden, um endlich Abschied zu nehmen. Die Würde des Menschen ist unantastbar?
Gib ihr die ewige Ruhe und ein Licht leuchte denen, die nicht wissen, was sie tun.
© Daniela Schimke erschienen am 17.4.2010 in MADONNA Österreich
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